Fahrer erzählen: Netzgeschichten der VAG Mitarbeiter/innen
Genau wie unsere Fahrgäste haben wir auch unsere Kollegen und Kolleginnen gebeten, uns ihre liebsten Netzgeschichten zu erzählen. Und da wurde uns einiges geboten: Ein Unfall, der gut ausgeht, eine Zeitreise und Geschichten zum Schmunzeln. Aber lesen Sie selbst:
Daniel ist einer unserer jüngeren Fahrer. Vielleicht kennen Sie ihn schon aus unserem Blogbeitrag über’s Busfahren. Er hat bei uns die Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb gemacht und ist jetzt Straßenbahn- und Busfahrer bei der VAG. Er erzählt uns eine Geschichte über Engagement und Hilfsbereitschaft.
Ein Knall, auf den Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit folgen
Vor einiger Zeit fuhr ich auf der Linie 10 meinen Spätdienst. Meinen Busführerschein hatte ich damals erst rund 3 Monate. Durch einen geparkten Lkw war die Gegenfahrbahn blockiert. Ein Pkw, der diesen überholen wollte, nahm mir die Vorfahrt, worauf ich eine Notbremsung einleiten musste.
Plötzlich gab es hinten einen Knall. Ich hörte darauf von hinten schockierte Reaktionen. Der Moment war gekommen, mein erster Unfall. Klar, muss man auch hiermit rechnen, da wir in einem Dienst rund acht Stunden am Straßenverkehr teilnehmen. Es kann nun mal nicht immer alles gut gehen. Natürlich kam ich in dieser Situation erst mal ins Schwitzen.
In der Fahrschule lernte ich natürlich auch, wie man in solchen Fällen handeln und reagieren sollte, was als Betroffener nicht immer einfach ist. „Gut, erstmal Gedanken sortieren, was muss ich tun?“, ging mir durch den Kopf. Als erstes notierte ich mir das Kennzeichen des Pkw-Fahrers, falls dieser Fahrerflucht begehen sollte, dazu habe ich immer einen kleinen Block in der Brusttasche.
Ich ging nach hinten, um erstmal zu schauen, was überhaupt geschehen war. Eine ältere Dame saß während der Fahrt auf ihrem Rollator im Mehrzweckbereich des Busses. Durch die Notbremsung war der Rollator mit der Dame umgekippt. Durch den Schock war sie im ersten Moment nicht ansprechbar. Den Notruf konnte ich über den Bordcomputer absetzen.
Das Schöne an dieser Geschichte war die Hilfsbereitschaft aller Fahrgäste. Während ich im ständigen Funkkontakt mit der Leitstelle war, bekam ich von einer jungen Frau neue Informationen zum Gesundheitszustand der verletzten Person. Ein weiterer Fahrgast nahm die Personalien des Pkw-Fahrers auf, welcher sich darauffolgend unerlaubt von Unfallort entfernte.
Mittlerweile entwickelte sich aus allen Fahrgästen in meinem Omnibus eine selbstorganisierte Hilfsgemeinschaft. Jeder wollte dazu beitragen, etwas Gutes zu tun, damit es der älteren Dame wieder besser geht. Mit der Zeit kümmerten sich fünf Personen um die Frau, bis der Rettungswagen eintraf. Andere Fahrgäste informierten an der Haltestelle, die sich 10 Meter weiter vorne befand, die Fahrgäste, dass wir erstmal nicht weiter fahren können.
In der heutigen Zeit, in der man Hilfsbereitschaft regelrecht suchen muss, und jeder quasi nur an sich selber denkt, war ich umso mehr beeindruckt und auch glücklich darüber, dass in diesem Moment alle zusammen angepackt haben. Für diese Hilfsbereitschaft war ich den Fahrgästen sehr dankbar. Auch nur so, konnte alle reibungsfrei abgewickelt werden.
Hans-Jürgen ist schon lange als Fahrer unterwegs – war aber auch schon als Kind ein Straßenbahnfan. Seine Geschichte spielt im Jahr 1963, lang ist’s her und man erkennt in der Geschichte von früher mal wieder, wie viel sich in der Zwischenzeit geändert hat.
Eine Kurzgeschichte von 1963
Straßenbahn fahren war für mich, wie auch für andere Kinder, immer etwas Besonderes. Die Geschichte ereignete sich in einer heute historischen Bahn mit gegenüberliegenden hölzernen Sitzbänken. Es gab noch keine Handys, die Fahrgäste unterhielten sich oder studierten ihr Gegenüber.
Als dann aber an einer Haltestelle ein Mann mit dunkler Hautfarbe (ich hatte noch nie einen schwarzen Mann gesehen) zustieg, war es auf einmal ruhig, was mich als Kind natürlich wunderte. Obwohl ich den Mann, der allem Anschein nach die Ursache für die plötzliche Ruhe war, lange genug angesehen hatte, konnte ich die Ursache nicht erkennen. Also fragte ich meine Mutter, ob der Mann, wenn er sich wäscht, wieder weiß wird. Meine Mutter wurde auf einmal rot im Gesicht und die Fahrgäste sahen alle entsetzt zu dem Mann und der fing auf einmal an zu lachen. Meine Mutter erzählt die Geschichte bestimmt 10 Mal im Jahr.
Unsere Fahrerin Patricia erzählt uns gleich zwei schöne Netzgeschichten: Zum einen, wie besonders der ÖPNV für Auswärtige sein kann und zum anderen eine fröhliche Geschichte über eine lustige Rasselbande.
Besuch aus dem Süden
Ich hatte eine schöne Begegnung mit spanischen Touristen. Diese fuhren auf der Linie 14 spät abends von der Haltestelle „Schiff“ in Richtung Siegesdenkmal und wollten sich noch die Stadt anschauen.
Die Überraschung war groß, als sie beim Einsteigen bemerkten, dass eine Frau am Steuer saß.
Alle hatten abgezähltes, passendes Fahrgeld dabei. Ich hab noch nie so schnell 20 Fahrscheine auf einmal verkauft.
Ich nahm die Fahrt auf und alle beobachteten mich. Im ersten Kreisverkehr bei OBI, den ich umfuhr war Funkstille im Bus, im zweiten Kreisverkehr beim Media Markt gab es einen riesen Applaus, voller Begeisterung mit den Worten „grande Busfahrerin“. Als wir am Siegesdenkmal ankamen, nahmen alle Touris den vorderen Ausgang und bedankten sich nochmals für die tolle Fahrt und wünschten mir eine gute Nacht.
Unsere Kleinen, die Generation von Morgen
Es war an einem wunderschönen Sommernachmittag, da stand ich mit der Linie 17 an der Molzhofsiedlung, völlig erschöpft kamen drei Kinder mit ihrem Betreuer 2 Minuten vor Abfahrt zu mir und baten mich, auf die anderen Kinder zu warten. Sie kamen von einem Ausflug von einem Bauernhof zurück. Nach weiteren 2 Minuten kam die Rasselbande total KO bei mir an und nahm Platz. Ich nahm die Fahrt dann auf, wir fuhren bei den Schafen und Ziegen vorbei. Als die Kids die Tiere entdeckten, freuten sie sich so sehr darüber, dass alle lauthals Mäh, Mäh, Mäh riefen. Sie konnten gar nicht mehr aufhören.
An der Haltestelle Schulerdobel verabschiedete sich jeder Einzelne von mir. Sie standen winkend draußen bei der Abfahrt. Mir ging das Herz auf, es war so drollig und herzlich. Danach sah der Bus aus wie ein Sandkasten, diesen machte ich gerne wieder sauber.
Einen Tag später fuhr die Rasselbande wieder mit mir mit. Die Freude war riesengroß auf beiden Seiten.
Danke für die Geschichten aus dem Alltag der Busfahrer. Mein Bruder möchte eine Busfahrer-Ausbildung machen und interessiert sich sehr dafür, was Busfahrer so zu sagen haben. Echt süß, die Geschichte mit den Kindern, die auf dem Bauernhof waren. Bei solchen Sachen ist man, denke ich, gerne Busfahrer*in.