AllgemeinEinblicke

Über die eigenen Grenzen hinaus: VAG-Mitarbeiterin Ramona Mühl ist Weltmeisterin im Tauziehen

Als junges Mädchen hat Ramona Mühl sich nicht wirklich fürs Tauziehen begeistern können, obwohl sie mit ihrem Vater schon von Kindesbeinen an sonntags bei Turnieren war. Die Leidenschaft dafür kam bei der VAG-Mitarbeiterin später. Jetzt ist die 24-jährige gelernte Raumausstatterin, die seit April 2020 in der VAG-Sattlerei arbeitet, Weltmeisterin. Wir haben mit ihr über ihr ausgefallenes Hobby und ihre Ziele gesprochen.

Tauziehen ist nicht gerade ein naheliegendes Hobby für junge Frauen. Wie bist du überhaupt dazu gekommen?

Ramona Mühl: Man kann sagen, wir sind eine Tauzieh-Familie. Mein Vater, Roland Mühl, der auch bei der VAG in der Schreinerei arbeitet, hat lange in der Bundesliga an Wettkämpfen gezogen und ist auch schon sehr lange der 1. Vorsitzende des Tauziehclubs Eschbachtals. Als Familie haben wir ihn an sehr vielen Sonntagen begleitet. Mein Bruder hat vor mir mit dem Tauziehen angefangen. Mit 12 Jahren darf man an Wettkämpfen teilnehmen. Aber das war erstmal nichts für mich.

Warum hat es dich damals noch nicht begeistert?

Ramona Mühl: Ich habe in dieser Zeit Karate gemacht. Tauziehen hat mich in dieser Zeit noch nicht gepackt. Das kam erst später, da war ich vielleicht 14 oder 15 Jahre alt. Dann hat es mich gereizt, über meine eigenen Grenzen zu gehen.

Von 1900 bis 1920 war Tauziehen olympisch

Tauziehen als Wettkampf ist bei vielen kaum bekannt. Aber hier in der Region scheint es einige Vereine zu geben. Woran liegt das?

Ramona Mühl: Gute Frage. Es gibt hier schon eine Tradition in Südbaden; allein im Dreisamtal gibt es zwei Vereine. Vielleicht liegt das auch an der Nähe zur Schweiz, wo es viele Vereine gibt. Aber eine so exotische Sportart ist Tauziehen auch nicht. Von 1900 bis 1920 war es sogar eine Zeit lang olympisch.

Die 24-jährige gelernte Raumausstatterin arbeitet in der Sattlerei der VAG.

Wie oft trainierst du?

Das ist immer unterschiedlich, je nachdem, ob ein Wettkampf ansteht. In der Regel mindestens dreimal die Woche. Vor der Weltmeisterschaft in Bilbao im September habe ich fünf- bis sechsmal in der Woche trainiert. 4-5x Seiltraining und 1-2x Krafttraining. Im Winter steht dann eher Krafttraining auf dem Plan.

Ist Seilziehen nicht gefährlich. Medien haben ja schon über einige schwere Unfälle berichtet?

Unfälle passieren eher auf Gaudi-Turnieren. Wenn man den Sport professionell betreibt, ist er nicht gefährlich. Im Gegenteil, man lernt die eigene Körperbeherrschung – und trainiert fast alle Muskeln im Körper. Wenn man das zum ersten Mal macht, merkt man erstmal wie anstrengend das sein kann.

Nach der Arbeit noch ins Fitnessstudio

Kannst du das Hobby mit der Arbeit bei der VAG vereinbaren?

Ich fange hier ja schon sehr früh an, gegen 6.15 Uhr. Dann bin ich gegen 15.15 Uhr fertig. Oft gehe ich direkt nach dem Arbeiten ins Fitnessstudio in Freiburg. Die Zeit mit richtigem Tauzieh-Training ist vor allem von Frühjahr bis Herbst. Da trainieren wir auf unserer Anlage in Eschbach.

Wie kann ich mir das Training denn vorstellen? Ihr habt eine eigene Anlage?

Viele Trainingsanlagen sind selbst gebaut. Wir ziehen einen Eisenkorb mit Betonsteinen über zwei Umlenkrollen in die Höhe. Wir sagen Bock dazu. Dann gibt es unterschiedliche Untergründe zum Trainieren: Sand, Erde und Stufen. Bei den Stufen hat man den besten Halt. Da kann man mehr als 120 Prozent aus sich herausholen. Wir trainieren aber auch viel gegeneinander in kleinen Teams von ca. 4-5 ZieherInnen pro Seite.

Muss man nur Ziehen können oder braucht man auch eine Taktik?

Beides! Kraft wird häufig überschätzt und die Taktik darf nicht unterschätzt werden. Es kommt auf die Körperspannung an und wie man sich auf seinen Gegner einstellt. Geht man voll drauf, blockt man oder bleibt man unter Druck voll stehen und wartet ab bis dem Gegner die Kraft ausgeht. Zieht man hoch oder tief. Ein Duell kann 10 Sekunden dauern – oder 10 Minuten.

Besonderes Harz für die Hände

Worauf kommt es bei eurer Ausrüstung an?

Die Schuhe sind beispielsweise umfunktionierte Eishockeyschuhe mit Eisenplatten an dem Absatz für einen besonders guten Halt, die man immer wieder schärfen muss. Dazu kommt ein spezielles Harz für die Hände. Wir haben einen richtig guten Harz-Mischer im Team. Je nach Mischung eignet es sich für bestimmte Temperaturen. Er hat viel damit experimentiert, aber das hat sich gelohnt.

Harz und Hornhaut: Die Spuren des Wettkampfs.

Und wie schafft man es dann ins Nationalteam. Muss man ein bestimmtes Gewicht ziehen?

Nein. Der Nationaltrainer schaut sich die Wettkämpfe an. Man kennt sich, er weiß auf was er schauen muss. Wir waren schon mehrfach Deutscher Meister und Südbadischer Meister. Auch bei Welt- und Europameisterschaften waren wir schon öfter. Dieses Jahr war es auch das erste Mal, dass mein Bruder und ich im gleichen Team zogen. Es gibt mehr Männer, die den Sport ausüben und auch in der Männer-Bundesliga ziehen. Frauen ziehen auch, meistens ziehen Sie in der Landesliga mit.

Gab es bei der WM kein Frauen-Team?

Doch schon. Aber bei der WM im September in Bilbao in Spanien bin ich im Mixed- Team angetreten: Vier Männer, vier Frauen. Jeweils im Nationalteam und im Club-Open. Das ist sozusagen die Weltmeisterschaft der Vereine.  580 Kilogramm durften diese Teams jeweils auf die Waage bringen.

Im Mixed-Team angetreten bei der WM: Vier Männer und vier Frauen. 580 Kilogramm durften diese Teams jeweils auf die Waage bringen.

Wie lief dann die WM ab? Übernachtet man in der Turnhalle oder vornehm im Hotel?

Wir sind am Montag mit dem Bus nach Bilbao gefahren. Da waren wir in einem Hotel untergebracht. Am Mittwoch ging es los mit wiegen. Schon um 6 Uhr am Morgen. Reisepassdaten aufnehmen, Kontrolle der Schuhe, ob alles rechtens ist. Dann erst mal Frühstücken – ganz wichtig! Wieder zu Kräften kommen von dem vielen Gewicht machen. Als erstes fanden die sogenannten Club-Open Turniere am Donnerstag/ Freitag statt – das sind sozusagen die Weltmeisterschaften der Vereine. Dann kamen am Samstag/ Sonntag die Turniere der Nationalteams an die Reihe.

Im Club-Wettbewerb zum Weltmeistertitel

Und wie lief es?

Meega! Beim Club Open am Donnerstag sind wir unter dem Tauziehclub „Allgäu Power Zell“ gestartet. Unsere Mannschaft besteht nämlich aus vielen verschiedenen ZieherInnen aus verschiedenen Vereinen – ein bunt zusammengewürfelter Haufen. In der Vorrunde sind alle elf Teams gegeneinander angetreten. Dann kamen Halbfinale und Finale. Wir haben nur zwei Punkte in der Vorrunde abgegeben, zwei Mal Unentschieden. Gegen jeden Gegner gibt es zwei Duell, außer in den Finals, da gibt es kein Unentschieden – Sieger ist die Mannschaft die zwei Gewinnzüge hat. Am Schluss waren wir Mixed-Weltmeister. Im Nationalteam sind wir leider nach einem hartumkämpften kleinen Finale (Zug um Platz drei) dann vierter geworden. Schade.

Ramona holt gemeinsam mit ihrem Team Gold bei der Tauzieh-Weltmeisterschaft in Bilbao

Glückwunsch. Wart ihr Favoriten?

Schwer einzuschätzen. Es gibt immer starke Nationen: Holländer, Schweden, Engländer – auch die Schweizer. Wir waren schon öfter gut im Rennen, aber ganz oben waren wir noch nie. Die Goldmedaille war schon etwas ganz Besonderes.

Und wie geht es weiter. Welche Ziele hast du?

Im nächsten Jahr stehen die World Games in Birmingham in Alabama USA an. Das ist das wichtigste Turnier für nicht-olympische Sportarten. Als Nationalteam haben wir uns dieses Jahr bei der WM  dafür qualifiziert. Darauf freue ich mich besonders. Jetzt hat das Wintertraining auch schon begonnen und wir stecken quasi wieder in der nächsten Vorbereitungsphase. Nach der Saison ist vor der Saison.

 

 

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