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Haltestellen für alle – Barrierefrei in die Stadtbahn

Unsere Haltestellen sind für alle da. Und das meinen wir ganz wörtlich. Wir möchten allen Fahrgästen einen möglichst bequemen Ein- und Ausstieg ermöglichen – und das schon sehr lange: Anfang der 1990er führte der Einsatz von Niederflurfahrzeugen zu einem deutlich einfacheren Zugang zu unseren Straßenbahnen. Mittlerweile sind nur noch vier Straßenbahnen ohne Niederflurabteil im VAG-Netz unterwegs. Seit 1999 kommt die VAG auch baulich an den Haltestellen den Anforderungen von Mobilitätseingeschränkten verstärkt nach. Bei Neubauten sind wir gehalten, die zum Zeitpunkt der Umsetzung gültigen und anerkannten Regeln der Technik zu berücksichtigen, hierzu zählen Gesetze, aber auch Bauvorschriften wie z.B. DIN-Normen.

Was heißt das konkret für die Planung unsere Stadtbahnhaltestellen?

Um die Barrierefreiheit an unseren Stadtbahnhaltestellen zu gewährleisten, stehen unsere Fachplaner im stetigen Austausch mit Behindertenvertretern. Die Anregungen und Kritik von direkt Betroffenen helfen uns, die Bedürfnisse der unterschiedlichen Personengruppen beim Bau neuer Haltestellen und der Sanierung bestehender Anlagen berücksichtigen zu können. Denn was für den Sehbehinderten barrierefrei ist, muss nicht auch gleich für die Rollstuhlfahrerin barrierefrei sein. Es gibt verschiedene körperliche Einschränkungen, aus denen sich unterschiedliche Bedürfnisse ergeben. Damit man allen weitgehend gerecht wird, ist ein intensiver Austausch zwischen Betroffenen und Experten unbedingt erforderlich.

Wichtige Bestandteile einer barrierefreien Haltestelle im Stadtbahnnetz

Das Blindenleitsystem

 

Leitstreifen
Links im Bild sieht man taktile Leitplatten für Sehbehinderte.

Für Sehbehinderte ist die Orientierung an der Haltestelle entscheidend, um sich sicher im Haltestellenbereich bewegen zu können. Taktile Leitplatten aus Rillen und Noppen helfen, sich mit einem Langstock den richtigen Weg zu ertasten. Unterschiedliche Ausrichtungen und Formen haben bestimmte Bedeutungen, welche die Laufrichtung vorgeben oder auch auf Gleisquerungen oder Fahrbahnquerungen hinweisen. Aber die Rillen entlang des Bahnsteigs sind auch für Fahrgäste, die nicht seheingeschränkt sind, hilfreich: Sie betonen einen Sicherheitsabstand zu den Gleisen.

Für Sehbehinderte, die nur ein eingeschränktes Sehvermögen haben, dient der Kontrast auf dem Boden als Sehhilfe.

Hohe Bahnsteige für einfachen Ein- und Ausstieg

Für Personen im Rollstuhl, aber auch Fahrgäste mit Rollator oder Kinderwagen kann eine zu hohe Kante schwierig überwindbar sein. Deshalb gibt es die Vorgabe, dass Fahrzeuge und Bahnsteige aufeinander abgestimmt sein sollen. Hiernach sollte ein Höhenunterschied zwischen Fahrzeugboden und Bahnsteig nicht mehr als fünf Zentimeter betragen, genau wie der horizontale Abstand beider. Zu diesem Zweck werden unsere Bahnsteige in der Regel 24 cm hoch gebaut. Das allein reicht aber nicht, denn durch unterschiedliche Mengen an Fahrgästen im Fahrzeug verändert sich auch die Einstiegshöhe, eben je nach „Beladungsgewicht“.  Auch die Abnutzung der Radreifen als auch der Schienen hat mit der Zeit Einfluss auf die Einstiegshöhe. Damit der Einstieg trotzdem möglich ist, gibt es in unseren Straßenbahnen Rampen, die auch bei ungünstigen Bedingungen dem Fahrgast die Nutzung des ÖPNV ermöglichen. Mithilfe einer Klapprampe können Abstände zwischen Fahrzeug und Bahnsteig überwunden werden. Die Rampe befindet sich immer an der zweiten bzw. beim Urbos an der dritten Tür. Bei Bedarf legt unser Fahrpersonal gerne die Rampe am Fahrzeug an.

Die ersten Haltestellen am Bertoldsbrunnen wurden 2014 saniert - 2017 folgen die Bahnsteige vor Kaufhof und WMF.
Die ersten Haltestellen am Bertoldsbrunnen wurden 2014 saniert – 2017 folgen die Bahnsteige vor Kaufhof und WMF.

Ein Sonderfall ist die Haltestelle Bertoldsbrunnen. Hier beträgt die Bordhöhe der 2014 sanierten Haltestellen 12 cm, auch die Haltestellen vor Kaufhof und WMF werden 2017 „nur“ auf 12 cm erhöht. Das liegt an dem besonders hohen Fußgängeraufkommen in diesem zentralen Bereich der Fußgängerzone. Bei der großen Menge an Fußgängern, die an dieser Stelle kreuzen, wäre die Stolpergefahr bei einem Bord von 24 cm zu hoch. Um aber dennoch Mobilitätseingeschränkten auch am Bertoldsbrunnen den Zu- oder Ausstieg zu ermöglichen und somit eine komfortablere ÖPNV-Nutzung anzubieten, verständigte man sich seiner Zeit ganz bewusst auf einen 12 cm Bord, der erforderlich ist, um mindestens eine Klapprampe anlegen zu können.

Die wenigen Haltestellen, die noch nicht den beschriebenen Anforderungen zur Barrierefreiheit entsprechen, werden in den nächsten Jahren soweit möglich sukzessive ergänzt bzw. umgebaut. Aufgrund der historischen Straßenführungen und Bebauung ist es aber an der stadteinwärtigen Haltestelle Oberlinden nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich, die Anforderungen zu erfüllen.

Bewegungsraum auf Haltestellen

Damit RollstuhlfahrerInnen im Haltestellenbereich sich gut bewegen können, gibt es einen vorgegeben Mindestabstand von 1,50 m zwischen Bahnsteigkante und festen Einbauten (wie z.B. Fahrgastunterständen, Dynamischen Fahrgastinformationsanzeigen).

Angepasste Fahrgastunterstände

Die Seitenscheiben unserer Fahrgastunterstände ermöglichen Helligkeit und gute Sicht. Ebenso sind sie bewusst kontrastierend gestaltet, damit Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen die Scheiben und somit den Fahrgastunterstand insgesamt besser wahrnehmen können.

Gleisquerungen

Für RollstuhlfahrerInnen ist es beim Überqueren unserer Gleise wichtig, möglichst niveaugleich an die andere Seite zu gelangen. Sehbehinderte allerdings benötigen einen ertastbaren Bordanschlag, damit sie nicht unerwartet auf den Gleisen stehen, sondern sicher die Seite wechseln können.

Kronenstraße Gleisquerung
Eine Gleisquerung an der neuen (noch ungenutzten) Haltestelle in der Kronenstraße.

 

Deswegen folgt die VAG beim Bau bereits seit langem hier einer DIN-Vorgabe, die einen abgerundeten Bordanschlag von 3 cm empfiehlt. Diese Gestaltungslösung stellt einen Kompromiss dar, und zwar zwischen den unterschiedlichen Anforderungen von Sehbehinderten, welche diese Kante zu Orientierungszwecken gerade noch ertasten können und Nutzern radgebundener Hilfsmittel (wie Rollstühlen und Rollatoren), welche diese Kante mit vergleichsweise geringem Aufwand noch überrollen können. Diese Bauart hat sich international über Jahrzehnte bewährt.

Den gestiegenen Anforderungen der Mobilitätseingeschränkten folgten in den vergangenen Jahren Neuerungen der DIN-Normen und Planungsempfehlungen. So ermöglichte eine DIN-Norm neben der gemeinsamen Querungsstelle mit 3 cm Bordanschlag nun auch eine Alternative als differenzierte Querungsstelle mit 0 cm über ein Meter Breite in Verbindung mit einem sich anschließenden 6 cm Bordanschlag zu bauen.

Bei der getrennten Querung mit differenzierter Bordhöhe erhalten Rollstuhlfahrer und andere Nutzer im Bereich des 0 cm Bordanschlags eine komfortable Überrollmöglichkeit; Sehbehinderten steht stattdessen am 6 cm Bordanschlag eine sehr deutlich ertastbare Kante zur Verfügung.

Da eine Stadtbahn im Gegensatz zum motorisierten Individualverkehr keine Möglichkeit hat querenden Passanten auszuweichen und ein 6 cm Bordanschlag durchaus eine gefährliche Stolperkante darstellt, hat sich die VAG bei der Gestaltung der Gleisquerungen aus Sicherheitsgründen schon sehr früh für die Beibehaltung der „gemeinsame Querungsstelle“ mit abgerundetem 3 cm Bord ausgesprochen.

Durch die Beibehaltung des bisherigen VAG-Standards mit gemeinsamer Querungsstelle möchten wir vor allem seheingeschränkten Fahrgästen die Orientierung in unserem Netz erleichtern (durch den Verzicht auf unterschiedliche Bauformen im gleichen Netz), ohne wiederum Nutzern radgebundener Hilfssysteme und anderen Personenkreisen die Nutzung zu erschweren. Auch möchten wir Verkehrsteilnehmer durch eine unterschiedliche Gestaltung von Fahrbahnquerungen und Gleisquerungen bewusst auf die differenzierten Verkehrsarten mit ungleichem Gefahrenpotential hinweisen.

Die Anforderungen von Mobilitätseingeschränkten in Abhängigkeit Ihres Handicaps und von Passanten ohne Einschränkungen sind sehr unterschiedlich. Für alle das Optimum zu finden, stellt eine schwierige Herausforderung dar. Verbesserungen für die einen dürfen nicht zur Schaffung neuer Gefahrenquellen führen. Das Ergebnis ist deshalb im gemeinsamen Abwägungsprozess zwischen Behindertenvertretern und Planern oftmals ein Kompromiss.

Sollte sich durch entsprechende Normen die Tür hin zu einer baulich gestalteten Querung mit differenzierter Bordhöhe, die für eine Querung von Stadtbahnlinien geeignet und einen besseren Kompromiss für alle darstellt, öffnen, wird sich die VAG diese Möglichkeit nicht entgegen stellen.

Mehr zum Thema:

Mehr zur Barrierefreiheit bei der VAG finden Sie in unseren weiteren Beiträgen zum Thema, unter anderem mit praktischen Tipps.

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