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V für Verkehrswende – Weniger Auto, mehr VAG

Ohne eigenes Auto von A nach B kommen: Für diese Lebensweise entscheiden sich mehr und mehr Menschen. Auch in Freiburg setzen mehr und mehr Menschen auf ein vom einst sprichwörtlichen „heiligen Blechle“ befreites Dasein. Als Unternehmensbereichsleiterin für Vertrieb, Marketing und Unternehmensentwicklung kennt Simone Stahl die Voraussetzungen, unter denen die Verkehrswende gelingen kann.

Wie schwer ist es, in Freiburg ohne eigenes Auto mobil zu sein?
In der Kernstadt ist es, glaube ich, sehr gut zu managen. Es kommt auf die Grundvoraussetzung an: Man muss für eine Verhaltensänderung offen sein. Ich glaube, es hängt gar nicht mal so sehr an der Angebotsvielfalt – die ist da. Sondern es fängt im Kopf an: Alle Vielfalt und die ganzen Angebote nützen nichts, wenn man als Nutzer_in nicht generell aufgeschlossen ist, sie selbst auszuprobieren und in den Alltag einzubauen. Und wenn man dann vom Individualverkehr umsteigt, dauert es mindestens ein Jahr, bis man jeden Weg mal durchprobiert und für sich die richtige Kombination gefunden hat.

Und wie sieht es mit dem erweiterten Stadtgebiet aus – wie ist die Situation bei den Pendler_innen?
Im Umland geht es viel stärker als in der Kernstadt um die Frage: Wie löse ich das Thema „letzte Meile“? Hier müssen wir schauen, dass wir gute Alternativen anbieten. In den Ortsteilen gibt es inzwischen schon relativ viele Frelo-Stationen, die – gerade auch bei ausgedünnteren Busfahrplänen – eine Alternative für die „letzte Meile“ darstellen können. Daneben gibt es Überlegungen, die Kund_innen aus dem Umland, die sonst viel mit dem Auto unterwegs sind, zumindest an den Stadtgrenzen abzuholen, damit sie einen Weg finden, um „sauber“ in der Stadt unterwegs zu sein – etwa mit dem neuen Kombiticket „Park and Ride“.

Simone Stahl
Simone Stahl leitet den Unternehmensbereich Vertrieb, Marketing und Unternehmensentwicklung

Der VAG geht es schon lange darum, verschiedene Mobilitätsangebote besser zu vernetzen. Wie geht es weiter?
Im Rahmen des Klimamobilitätsplans sind wir dabei, Mobilstationen umzusetzen. Sie machen die Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Verkehrsmittel sichtbar und es wird klar, dass die „letzte Meile“ problemlos ohne eigenes Auto zurückgelegt werden kann. Wir wollen es den Nutzer_innen vor Ort besonders einfach machen, sich beim Umstieg zu orientieren: mit Beschilderung, mit einheitlichen Piktogrammen und einheitlicher Sprache. Und das gleiche machen wir im Digitalen mit unserer App: Die gibt standortbezogen Auskunft darüber, wie man mit Carsharing, mit Frelo, mit Bus oder Bahn weiterkommt.

Was genau sind Mobilstationen?
Unsere Definition dafür lautet: Wenn es an einer Stelle drei oder mehr Angebote zum Umstieg gibt, ist es eine Mobilstation. Und bei der Bestandsaufnahme haben wir festgestellt, dass wir heute schon insgesamt 52 solcher Stationen in Freiburg haben. Für die meistfrequentierten überlegen wir uns gerade, was noch dazukommen kann. Wobei die einheitliche Kommunikation über Piktogramme sehr wichtig ist: Wir möchten sichtbar sein und den Kund_innen das Nachdenken übers Umsteigen abnehmen. Und zwar indem wir uns schon vorab überlegen, was es beim Umsteigen braucht, um Mobilität in Freiburg einfach zu erleben, spontan und vor allem auch leicht nutzen zu können.

Gelingt so der Umstieg weg vom Auto?
Genau das ist das große Thema beim Auto: Wenn es vor der Haustür steht, kann ich es spontan, unkompliziert und gefühlt ohne Kosten nutzen. Genau diese Konkurrenzsituation wollen wir im Kundenprozess abbilden, indem wir einen Mobilitätsmix mit vielen Alternativen anbieten. Die sind oft sogar schneller als der Weg mit dem Auto – wenn man ehrlich rechnet und die Parkplatzsuche mit hinzunimmt.

Wie kommt dieser Einsatz an und wie blicken Sie auf die Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen?
Wir sehen mit Corona im gesamten Verkehrssektor sehr große Veränderungen. Der Homeoffice-Anteil ist deutlich gestiegen und hat sich auf einem bestimmten Niveau eingeschwungen. Gerade bei Pendler_innen wird er ein anderes Mobilitätsverhalten auslösen. Bei den E-Bike-Kund_innen sehen wir, dass wir für einen Mobilitätsmix interessant sind, dass wir sie aber nicht komplett zurückholen – die haben in der Corona-Phase eine Verhaltensänderung erlebt und sind „an uns vorbeigefahren“.
Also stellt man sich langfristig eher auf weniger als auf mehr Fahrgäste ein?
Schwer zu sagen. Es gibt viele Faktoren, die die Prognosen über die Fahrgäste für uns spannend und neu machen – wir sind wirklich in einer neuen Bewegung angekommen. Insgesamt, glaube ich, ist diese Bewegung im Sinne der Verkehrswende wohltuend, weil einige vom Auto abgekommen sind. Dazu kommt, dass sich in der aktuellen Energiekrise mit Benzinpreisen von bis zu 2 Euro der Kostenvorteil des ÖPNV für viele sehr deutlich zeigt. Dann kommt das Deutschland-Ticket dazu, das bundesweit gültig sein wird. Das erleichtert den Zugang zum Nahverkehr ungemein.
Für uns ist es wichtig, jetzt zu schauen, wer unsere Kundschaft eigentlich ist und wie sie sich verändert hat. Welche Bedürfnisse hat sie und wie muss unser Mix sein, damit wir möglichst attraktiv sind? Für Prognosen, auch zur Fahrgastentwicklung, brauchen wir allerdings noch ein paar Sicherheitsmonate unter gutem, starkem Realbetrieb. Dann erst können wir sehen, wie diese ganzen unterschiedlichen Faktoren sich genau auswirken.

Wo sehen Sie die VAG in zwei Jahren?
Wir arbeiten darauf hin, dass wir die Verluste über den Blick auf die Mobilität kompensieren: Wir kommen vom ÖPNV und entwickeln uns zum multimodalen Mobilitätsdienstleister. In diesem Zusammenhang ist alles darauf ausgerichtet, dass wir mit dem Ohr am Markt sind und herausfinden, was es braucht, damit wir die Kund_innen gut bedienen. Wir wollen sie neu kennenlernen und ihnen alles anbieten, was sie brauchen, um auf den motorisierten Individualverkehr möglichst gut verzichten zu können. Denn am Ende entscheidet der Kundenservice neben digitalen und örtlichen Lösungen darüber, ob Mobilität ohne Auto einfach, schnell und spontan genutzt werden kann. Wir müssen einfach weg von den alten Modellen – sie funktionieren nicht mehr.


Diesen Beitrag findet ihr im Kundenmagazin Facetten, Ausgabe 2023/1. Fotos: Anja Limbrunner

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